Der determinierte Mensch
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Der determinierte Mensch
Die modernen Naturwissenschaften haben das Bild vom Menschen in den letzten Jahrzehnten gravierend verändert. Neue Geräte und Messmethoden erlauben immer genauere und tiefergehende Beobachtungen der menschlichen Natur. Die Idee des Dualismus aus Körper und Geist verliert immer mehr an Plausibilität. Stattdessen scheint die Grundlage der menschlichen Eigenschaften und Fähigkeiten ausnahmslos in seinen biochemischen Strukturen und Prozessen zu liegen. Es scheint, als ließe sich das Wunder des Menschseins auch ohne eine geheimnisvolle Seele erklären. Aber heisst das auch, dass sich "der Mensch" wie ein biochemischer Prozess vorhersagen und planen lässt? Dass er letztendlich wie ein Uhrwerk oder eine Maschine funktioniert, bis ins letzte determiniert- und durch eine Maschine simuliert werden kann?
Die deterministische Verblendung
Tatsächlich kann man annehmen, dass unsere Natur vollständig auf Gesetzmäßigkeiten und Kausalzusammenhängen beruht und versuchen, dies anhand einzelner Zusammenhänge zu belegen. Trotzdem bleibt es bei einem komplexen System - und der Mensch ist gewiss ein komplexes System - unmöglich, die Gesamtheit zu erfassen und vorauszuplanen. Die simple Idee, der Mensch sei auch "nur" eine Maschine, ignoriert die besondere Struktur des Lebens. Komplexe lebendige Systeme sind eben keine Uhrwerke - keine Maschinen. Es ist kein Widerspruch zwischen der Annahme vollständiger Determiniertheit und einer Freiheit in der Entscheidung, wie sie jeder Mensch fühlen kann.
Die Freiheit des Lebens
Der Mensch besteht aus unzähligen explorativen Einheiten - Zellen, Organen, Systeme - die sich nicht streng nach Plan verhalten, sondern die sich parallel entwickeln und dabei nicht nur von einem genetisch festgelegten Prozess gesteuert werden, sondern sich auch an äußeren Einflüssen aus der Umwelt orientieren.
- Während der Embryonalphase entwickelt sich der Körper mit allen Organen und den grundlegenden Strukturen für ein funktionierendes Ganzes
- Während der Säuglingsphase reifen Körper und Gehirn nach. Das Gehirn tritt in Interaktion mit seiner Umwelt und lernt sie zu deuten und in ihr zu aggieren
- Während der Kindheit wächst der Körper und das Gehirn interaggiert mit anderen Menschen, erlernt Bewegung, Sprache und die Grundlagen sozialen Verhaltens.
- In der Pupertät weiten sich die Fähigkeiten des Menschen aus und er wird zu einem sexuellen, fortpflanzungsfähigen Wesen
In der folgenden Grafik sind die verschiedenen Ebenen aufgeführt, die unsere menschlichen Eigenschaften und deren Variation beeinflussen. Jede Ebene verfügt über einen mehr oder weniger großen Spielraum für Variationen. Das heisst: auch wenn wir genetisch in vielen Punkten festgelegt sind, gibt es immer noch genügend Freiheitsgrade, um die eigene Entwicklung zu verändern. Manche dieser Freiheitsgrade unterliegen unserem direkten Einfluss. Und auf allen Ebenen kann uns das "Schicksal" einen Strich durch die Rechnung machen - oder wir dem Schicksal.
Wie groß die Variationsmöglichkeiten auf den verschiedenen Ebenen sind, hängt übrigens nicht nur vom Zufall ab - oder vom System, von der Schule, der Erziehung oder dem Wetter - sondern wird auch durch unser genetisches Erbe beeinflusst. Deshalb ist es sehr schwierig, den Anteil der "genetisch vererbbaren" Eigenschaften und den der "erworbenen" Eigenschaften zu benennen. Unsere Gene geben uns die Grenzen unserer körperlichen und geistigen Fähigkeiten vor - aber sie bestimmen weder darüber, wie weit wir diese Grenzen ausnutzen noch wie weit wir sei ausnutzen können oder dürfen.
Hinweis: Bei der Erörterung der Variationsmöglichkeiten menschlicher Eigenschaften und deren Ursachen muss zwischen "angeborenen" und "genetisch vererbten" Eigenschaft unterschieden werden. Umwelteinflüsse während der Embryonalentwicklung führen ebenso zu "angeborenen" Veränderungen wie Genvariationen. Sie können aber nicht über Gene weitergegeben werden.
Variationsbreite menschlicher Eigenschaften
Rassismus
Es ist offensichtlich, dass nicht alle menschlichen Eigenschaften gleichmäßig verteilt sind. Dabei scheinen insbesondere einige körperliche Eigenschaften wie Hautfarbe, Haarbeschaffenheit, Körperbau und Gesichtsform regional zu variieren. Aus diesen Unterschieden leiten Manche die Idee der "Rasse" ab und nutzen sie, um daraus weitere "rassebedingte" Eigenschaften zu behaupten und diese dann in ein hierachisches Ranking einzuordnen. Besonders beliebt: die Zuweisung von rassebedingter Variation der Intelligenz.
Anhand einer körperlichen Eigenschaften werden "Gruppen" gebildet - bevorzugt z.B. die Hautfarbe - der dann weitere spezifische Eigenschaften zugewiesen werden, die kausal mit der Gruppenzugehörigkeit in Verbindung stehen sollen: Schwarze sind dümmer als Weiße!
Dabei gibt es mehrere Punkte, die diese Herangehensweise als falsch und wissenschaftlich unsinnig erscheinen lassen:
- Die Gruppierung von "Rassen" nach z.B. Hautfarbe ist eine willkürliche Entscheidung. Warum gruppiert man "Rassen" nicht nach Größe, Haarstruktur, Gewicht, Schuhgröße oder einer anderen beliebigen körperlichen Eigenschaft?
- Die Zuweisung von verborgenen und schwer genetisch zu definierenden Eigenschaften wie Intelligenz, soziale Fähigkeiten, körperliche Geschicklichkeit, Musikalität usw. anhand von äußerlich offensichtlichen Eigenschaften ist nur mit statistischen Tricks möglich. Diese geben aber keinerlei Auskunft über Ursachen und Zusammenhänge - keine Kausalitäten, nur Korrelationen!
- Durch die willkürliche Definition von Rassen anhand eines äußeren Merkmals verdeckt man mögliche Kausalitäten zwischen den übrigen Merkmalen:
- vielleicht sind große weiße Männer dümmer als große schwarze Männer
- vielleicht sind schwarze Frauen klüger als weiße Frauen
- vielleicht sind weiße Männer häufiger Serienmörder als schwarze Männer
Neben dieser wissenschaftlich unsinnigen Aufteilung von Rassen anhand äußerer Merkmale, blendet die rassisch verzerrte "Forschung" die Potentiale des Menschen vollkommen aus. Alle Betrachtungen konzentrieren sich auf den Ist-Zustand - nicht den möglichen Zustand. Das versperrt uns den Weg für das Ausschöpfen menschlicher Potentiale - durch ein faires Bildungssystem und eine unterstützende Gesellschaft anstatt Ausgrenzung, Konkurrenz und Wettbewerb.
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Der freie Wille
Einen inspirierenden Vortrag des Philosophen Daniel Dennet findet man auf YouTube [1]
Er argumentiert für den "freien Willen" als notwendiges Konzept, damit Menschen überhaupt als Menschen funktionieren können.